Wie werden New Work Konzepte in der Praxis umgesetzt? Im Rahmen unseres Reportage-Formats FACTS OFFICE Check gehen wir dieser Frage nach. Den Anfang macht thyssenkrupp. Der Konzern ermöglicht seinen Mitarbeitern flexible Arbeitsweisen, bei denen das Team im Mittelpunkt steht.
Bereits aus der Ferne weiß das Q1 Besucher des thyssenkrupp-Campus in Essen zu beeindrucken. 50 Meter ragt das kubusförmige Gebäude in die Höhe, dessen Glasfassade das Sonnenlicht reflektiert. Das Q1 bildet dabei nicht nur als Landschaftsmarke den Mittelpunkt des tyssenkrupp-Konzerns, sondern auch im wörtlichen Sinne: So sind hier neben 500 Mitarbeitern der Verwaltung auch die Leitung und der Vorstand des Weltkonzerns untergebracht.
Das thyssenkrupp-Quartier steht aber auch stellvertretend für den Strukturwandel des Ruhrgebiets. Seit dem Spatenstich im Jahr 2007 ist auf dem Grund der einstigen Gussstahlfabrik ein Office-Viertel entstanden, in dem die verschiedenen Abteilungen des Konzerns vertreten sind. Insgesamt acht Bürogebäude bilden das Quartier, die alle um die im Q1 beheimatete Konzernzentrale angelegt sind.
Austausch der Mitarbeiter im Fokus
„Die Architektur des gesamten Quartiers soll den Austausch der Mitarbeiter fördern“, erklärt Bianca Wittenberg, die uns im Foyer des Q1 in Empfang nimmt. Als Senior Projekt Managerin begleitet sie ein Projekt, in dessen Rahmen aktuell die Büroflächen an die Anforderungen des New Normal angepasst werden.
„Themen wie flexibles und digitales arbeiten haben ebenso wie Mobile Working durch Corona in den vergangenen Jahren einen Schub erhalten. Im Rahmen des Projekts office2k gestalten wir daher unsere Büroflächen um. Wir möchten weniger Fläche für Einzelbüros und konzentriertes Arbeiten nutzen – stattdessen mehr Fläche für Kollaboration und Kommunikation“, erklärt die studierte Innenarchitektin. Mit dem Fahrstuhl fahren wir hinauf in den achten Stock des Q1. Hier ist der Fachbereich Steuern untergebracht. Homezone nennt man dies bei thyssenkrupp.
Teamwork bei thyssenkrupp
In der Homezone kann das jeweilige Team Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen in seiner Homezone nehmen und entscheidet auch über die Anwesenheiten im Büro. „Ich schaue Ende der Woche in meinen Kalender und sehe anhand der Termine, wann es Sinn macht, ins Büro zu kommen – etwa, weil ich mich mit Kollegen direkt unterhalten möchte oder wir ein Teammeeting haben. Wenn ich weiß, ich muss konzentriert an einem Konzept oder ähnlichem arbeiten, dann kann ich das auch gut von zuhause erledigen“, verrät Bianca Wittenberg.
Moderne Einrichtung: Bei der Einrichtung des Quartiers setzt thyssenkrupp auf moderne und nachhaltige Büromöbel.
New Work als Maßgabe
Mit der Neugestaltung der Büroflächen möchte man dieser Flexibilität gerecht werden: Feste Büros gibt es hier kaum noch. Jeder Mitarbeiter kann per App entscheiden, welchen Raum er bzw. sie für seine Tätigkeit benötigt. Dazu stehen Einzelbüros, Zweierbüros sowie Konferenzräume oder auch Team- und Meetingspaces zur Verfügung.
Um zu sehen, wer heute überhaupt anwesend ist, ist gleich neben dem Eingang ein Magnetboard angebracht. Auf diesem können die anwesenden Mitarbeiter ihren heutigen Arbeitsplatz markieren. Auf dem Board sind heute nur eine Handvoll Büros bzw. Arbeitsplätze besetzt. Dies gibt uns die Möglichkeit, uns umzusehen.
Den Mittelpunkt der Homezone bildet eine Kaffeetheke. Um diese herum sind großzügig Couches, Loungemöbel sowie Bistrotische und Bänke arrangiert, auf denen sich vereinzelt Mitarbeiter niedergelassen haben und Gespräche führen. Damit treten sie den Beweis an, dass eine offene Bürogestaltung durchaus die Kommunikation fördert.
Wir gehen den breiten Flur entlang und schauen uns in einem Einzelbüro um, dass heute niemand für sich in Beschlag genommen hat. Dementsprechend aufgeräumt wirkt der höhenverstellbare Schreibtisch auf dem zwei Monitore und eine Dockingstation bereitstehen.
Flexible Schreibtische statt Chefbüro
Wir möchten wissen, wie sich die Mitarbeiter mit diesem Flex-Desk-Konzept anfreunden. Schließlich muss man auf Fotos der Lieben oder persönliche Devotionalien am Schreibtisch verzichten. Morgen schon kann ein Kollege den Schreibtisch ja bereits übernehmen.
„Es gab anfangs schon den einen oder anderen Kollegen, der sich schwer damit getan hat, keinen individuellen Arbeitsplatz zu haben“, sagt Bianca Wittenberg, „Ich habe aber zum einen die Möglichkeit, meine persönlichen Gegenstände in einem Schließfach aufzubewahren und kann diese dann natürlich nutzen, zum anderen habe ich durch die Möglichkeit des Mobile Working meinen persönlichen Arbeitsplatz für konzentriertes Arbeiten zu Hause. Insgesamt sind die meisten daher von den Vorteilen dieses Flex-Desk-Konzepts überzeugt.“
Um flexibles Arbeiten zu ermöglichen, musste thyssenkrupp auch in die Digitalisierung investieren. Schließlich galt es, Prozesse und Tools zu etablieren, die ort- und zeitunabhängiges Arbeiten ermöglichen. Denn: Aktenordner sucht man hier vergebens.
Papier los geworden
„Wir haben zwar noch einen Drucker, aber generell achten wir schon darauf, dass wir sehr papierarm arbeiten. Das ist auch Teil unseres Nachhaltigkeitskonzepts, dem wir bei der gesamten Quartiergestaltung nachkommen“, sagt Wittenberg.
Bereits beim Bau des Campus war das Thema Ressourcenschonung ein wichtiger Aspekt. Dazu wurde ein effizientes Energieversorgungskonzept realisiert, in dessen Rahmen vor allem auf Geothermie und Wärmerückgewinnung gesetzt wird. Dementsprechend findet sich das Thema Nachhaltigkeit auch in der Bürogestaltung wieder.
Das New-Work-Konzept stellt Austausch in den Mittelpunkt
„Bei der Umgestaltung des Office-Konzepts war Nachhaltigkeit ein Grundpfeiler. Wir haben daher nicht einfach alles neu gemacht, sondern geschaut, wie können wir die vorhandene Struktur nutzen. Wir haben dazu ein flexibles Trennwand-System, sodass man bei Bedarf ohne großen Aufwand Umbaumaßnahmen realisieren kann. Des Weiteren haben wir natürlich darauf geachtet, dass wir bei den Büromöbeln mit Herstellern zusammenarbeiten, die ihre Produktion in Deutschland haben und entsprechend zertifiziert sind. Auch der Teppichboden, den wir jetzt einsetzen, ist CO2 neutral.“
Nachhaltig, flexibel, modern: Für thyssenkrupp ist das Bürokonzept ein wichtiger Faktor, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen, die Produktivität zu steigern und auch, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Bianca Wittenberg ist sich daher sicher, dass das Büro auch in Zukunft noch eine wichtige Rolle in unserer Arbeitswelt spielen wird. Während wir hier im achten Stock aus dem Fenster über den Campus und die Essener Skyline blicken, kann man ihr recht geben.