New Work hat sich definitiv etabliert – überall sieht man nur noch zufriedene Arbeitnehmer in anregenden Büroumgebungen. So denken viele. Doch ist dem wirklich so? Ist die neue Arbeitsphilosophie allerorts umgesetzt? Und gibt es fortan nur noch glückliche Mitarbeiter? Oder gibt es vielleicht noch Luft nach oben?
In einer Welt, die sich ständig verändert und immer stärker von Technologie und Globalisierung geprägt ist, wandelt sich die Art und Weise, wie wir arbeiten. Dieser Wandel wird meist als „New Work“ bezeichnet. Unter diesem Begriff versteht man eine neue Herangehensweise an Arbeit, Organisation und Unternehmenskultur.
Was genau ist New Work?
Die New-Work-Philosophie basiert auf den Ideen des österreichischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann und sieht vor, traditionelle Arbeitsstrukturen und ‑praktiken infrage zu stellen und neue, flexiblere Modelle zu schaffen, bei denen der Mensch im Mittelpunkt steht. Besondere Merkmale zeichnen das Konzept aus. Vor allem werden Selbstbestimmung und Eigenverantwortung großgeschrieben. Mitarbeiter genießen mehr Freiheit bei der Gestaltung ihrer Arbeit, was etwa in flexibleren Arbeitszeiten oder die Möglichkeit zur Telearbeit Ausdruck findet. Zudem werden sie stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden.
Nicht nur Geld verdienen
Ferner ist ein wichtiger Aspekt von New Work die Sinnhaftigkeit. So sollte Arbeit nicht lediglich ein Mittel zum Geldverdienen sein, sondern auch persönliche Erfüllung bieten. Unternehmen, die New-Work-Prinzipien umsetzen, bemühen sich daher oft darum, eine positive Unternehmenskultur zu schaffen und sorgen dafür, dass Mitarbeiter einen tieferen Sinn in ihrer Aufgabe sehen.
Ebenso wichtig sind Zusammenarbeit und Vernetzung über Hierarchieebenen und Abteilungsgrenzen hinweg. Realisieren lässt sich dies durch den Einsatz von digitalen Kollaborationstools oder die Schaffung von offenen Arbeitsumgebungen.
Und weil in der heutigen Welt Organisationen flexibel und anpassungsfähig sein müssen, kommt Agilität eine zentrale Bedeutung zu. New Work braucht agile Arbeitsmethoden sowie eine Kultur des fortdauernden Lernens und ständigen Verbesserns.
Ist New Work wirklich etabliert?
Das ist die Welt, wie sie sein sollte. Doch wie sieht es in Wirklichkeit aus? Haben Unternehmen New Work wirklich umgesetzt, und zwar auf alle Ebenen? „Das große Versprechen hat sich nicht erfüllt, New Work ist grandios gescheitert“, antworten der Anbieter für crossmediale Medienbeobachtung und Medienanalyse pressrelations und die Zukunftsforscher von Zukunftsinstitut Workshop in der gemeinsamen Studie „Arbeitsreport 2024“. Die Medienanalyse, die dieser Studie zugrunde liegt, zeichne ein ernüchterndes Bild der aktuellen Arbeitswelt. Ob Job-Zufriedenheit, die Loyalität zum Arbeitgebenden oder die mentale Gesundheit – all dies sei auf einem historischen Tiefstand.
Diese Unzufriedenheit mit den vorherrschenden Bedingungen in der Arbeitswelt sei deutlich, meinen die Studienverfasser – immerhin wollten 40 Prozent der Arbeitnehmenden global in naher Zukunft ihren Job kündigen (World Economic Forum 2023). „Die Eruptionen auf den Arbeitsmärkten zeigten sich in zahlreichen, neuen Begriffen, die in der Studie erfasst und in Form ihrer medialen Verbreitung gezählt wurden“, berichten sie. „Je häufiger ihre Nennung, desto größer ist ihre Relevanz als Trendindikatoren.“
Zu diesem „Glossar des Grauens“, wie es die Studienautoren nennen, gehören unter anderem Begriffe wie das Quiet Quitting – heißt, gerade noch so viel im Job tun, wie unbedingt nötig ist, um nicht aufzufallen und gefeuert zu werden –, sowie das Job-Ghosting: erst gar nicht zum Bewerbungsgespräch kommen oder von heute auf morgen ohne Ankündigung nicht mehr am Arbeitsplatz erscheinen –, oder das Climate Quitting – aus ökologischen Gründen den Job kündigen, wenn das Unternehmen ein umweltschädigendes Geschäftsmodell hat oder Greenwashing betreibt.
In der Tat bringt die richtige Umsetzung der New-Work-Philosophie große Herausforderungen mit sich. Nicht alle Unternehmen sind bereit, von traditionellen Arbeitsmodellen abzuweichen, und es kann Widerstand gegen Veränderungen geben. Darüber hinaus erfordert New Work Investitionen in Technologie und Weiterbildung. Diese kann sich nicht jeder Betrieb leisten.
Die Umsetzung von New Work beginnt mit der Unternehmenskultur
Meist stellt die Veränderung der Unternehmenskultur eine der größten Herausforderungen bei der Einführung von New Work dar. In der Regel sind traditionelle Betriebe häufig von hierarchischen Strukturen geprägt, in denen Anweisungen und Befehle von oben nach unten fließen. Der Übergang zu einer Kultur der Selbstbestimmung, Kollaboration und Eigenverantwortung macht ein Umdenken unabdingbar, der allerdings auf großen Widerwillen stoßen kann.
Virtuelle führung
Speziell Führungskräfte befürchten einen Kontroll- und Machtverlust. Hinzu kommt, dass New Work von ihnen besonders viel abverlangt. Beispielsweise hinsichtlich virtueller Führung, denn in Zeiten des hybriden Arbeitens erledigen viele Wissensarbeiter ihre Aufgaben teilweise zu Hause. Somit müssen sich Führungskräfte neue Fähigkeiten aneignen und neue Kompetenzen entwickeln, um ihre Teams in einer selbstbestimmten Umgebung zu führen. Zunehmend werden sie zu Coaches für die Mitarbeiter.
Doch auch Letztere sind nicht immer offen für Veränderungen. Manch einer fühlt sich in einem Umfeld, das mehr Eigenverantwortung erfordert, nicht mehr wohl. Daher gilt es für Unternehmen, frühzeitig dafür zu sorgen, dass ihre Mitarbeiter aktiv eingebunden werden, eventuelle Befürchtungen oder Bedenken zum Ausdruck bringen und den Anschluss zu Kollegen und Vorgesetzten nicht verlieren.
Eins sollte man dabei ebenfalls berücksichtigen: In einer dezentralen Arbeitsumgebung, in der Mitarbeiter möglicherweise an verschiedenen Standorten oder sogar in verschiedenen Zeitzonen arbeiten, können sich Kommunikation und Zusammenarbeit schwierig gestalten. Auch hier sollten Unternehmen sicherstellen, dass die eingesetzten Kommunikationskanäle und ‑prozesse Kollaboration und Informationsaustausch bestens unterstützen.
Um dies zu gewährleisten, gilt es, eine adäquate technologische Infrastruktur zu schaffen. Zum Einsatz sollen moderne Technologien und Tools kommen, die flexible Arbeitsweisen, digitale Kollaboration und virtuelle Teamarbeit ermöglichen. Dies kann sich allerdings als eine Hürde erweisen, wenn Unternehmen nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen.
Arbeitsrechtliche Aspekte von New Work
Last, not least gilt es, arbeitsrechtliche Aspekte nicht zu vergessen. Denn die Einführung von flexiblen Arbeitsmodellen wie Homeoffice, Telearbeit oder Gleitzeit kann einige Fragen mit sich bringen. Speziell mit Blick auf Arbeitszeiten, Überstunden oder den Schutz der Privatsphäre der Arbeitnehmer sind Unternehmen in der Pflicht. Idealerweise sorgen sie nicht nur dafür, dass sie den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, sondern beachten dabei ebenso die Bedürfnisse und das Wohlergehen ihrer Belegschaften.
Es sind viele Hürden, die Unternehmen bei der Umsetzung von New Work nehmen müssen. Gelingt es ihnen jedoch, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen und alle Herausforderungen zu meistern, sind sie in der Lage, die Vorteile dieser neuen Arbeitsphilosophie voll auszuschöpfen. Dazu zählen eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit, bessere Leistungen und größere Innovationskraft. Und nicht zuletzt können sie sich auch als attraktive Arbeitgeber positionieren und die dringend gesuchten Fachkräfte anziehen.